Images from the so-called Malerwinkelhaus

Images from the so-called Malerwinkelhaus
click on the image to see details of the call

Donnerstag, 28. August 2014

... first article in the newspaper Mainpost ...




Kunstpost für Marktbreit                

Mail Art: Die Postkunst entwickelte sich in den 1960er Jahren in den USA. Der Name ist Programm. Teilnehmer versenden ihre Botschaften per Post – meist individuell gestaltete Karten und Briefumschläge.

 
Schere, Klebstoff, Zeitungsausschnitte, Stifte, Stempel, Postkarten, Briefumschläge – und Fantasie. Das sind die Zutaten für Mail Art – für Postkunst, Kunst per Post oder Korrespondenzkunst. Jeder kann sich daran beteiligen, denn jeder ist, frei nach Joseph Beuys, ein Künstler. Die Geschichte der Mail Art beginnt in den frühen 1960er Jahren. Als Begründer gilt der eigenwillige US-amerikanische Künstler Ray Johnson (1927-1995).
Er nannte die Bild-Botschaften jedoch keineswegs Mail Art. Er hatte scheinbar auch etwas dagegen, dass seine Werke in die Pop Art eingereiht wurden – obwohl er von manchen als Miterfinder dieser Kunstrichtung angesehen wird. Er erklärte: „Ich mache Chop Art.“ Also zusammengeklebte Kunst – Schnipselkunst. Das passt. Ray Johnson liebte Collagen und nannte sie „moticos“. Er prägte noch andere Wortschöpfungen, mit denen er sich vor Zuordnungen innerhalb des Kunstbetriebs distanzieren wollte. Auch Galerien waren ihm suspekt.
Ray Johnson war dennoch keiner, der mit nichts und niemandem etwas zu tun haben wollte. Er suchte den Austausch. Die Art, wie er das anstellte, brachte ihm natürlich eine künstlerische Einordnung ein: Ihm wurde das Etikett „Konzeptkünstler“ angeheftet, zudem wird er der der Fluxus-Bewegung zugerechnet. 1962 gründete Ray Johnson die New York Correspondance School of Art, ein künstlerisches Netzwerk, und schickte seine Werke, neben Collagen auch gezeichnete und getextete Botschaften, meist kurze Slogans, auf dem Postweg in alle Welt mit der Aufforderung, sie zu ergänzen und dann weiterzuleiten – an Adressen, die er vorgab. Oft gab er die Anweisung, alles wieder an ihn selbst zurückzuschicken. Der Sender wurde zum Empfänger, ein künstlerisches Ping-Pong-Spiel. Als das Whitney Museum in New York 1970 seine Werke in einer Einzelausstellung zeigen wollte, hielt er an seiner Art von Kommunikation fest. Ray Johnson startete einen Aufruf, sich an der Schau zu beteiligen. 106 Künstler antworteten beziehungsweise belieferten das Museum. Er dagegen hielt sich bis zuletzt von der etablierten klassischen Art der Präsentation von Kunst fern. Ray Johnson’s New York Correspondance School gilt als die Keimzelle der Mail Art. Den Begriff soll sich der französische Kunstkritiker Jean-Marc Poinsot 1971 ausgedacht haben, zumindest schrieb er über Mail Art als eine „Communication a distance“, eine Kommunikation aus der Ferne.
Künstler in der DDR sahen in der Mail Art ab den 1970er Jahren eine Möglichkeit, mit der Welt jenseits von Mauer und Stacheldraht in Kontakt zu treten und gleichzeitig gegen den offiziellen sozialistischen Kulturbetrieb zu opponieren. Ihre Postkarten-Collagen waren eine brisante Form der Kommunikation, und sie war der Staatssicherheit ein Dorn im Auge. Die startete einen „Operativen Vorgang“ unter dem Titel „Feinde“ und konfiszierte die „Werbematerialien mit politisch gefährlichem Inhalt“. Mail Art war also ein Mittel der Vernetzung und des weltweiten künstlerischen und auch politischen Austausches, lange bevor es das Internet gab. Ähnlich wie bei Johnson gibt es bis heute Vorgaben: ein Aufruf zu einem bestimmten Thema und die Zusendung per Briefpost. Im Lauf der Zeit kamen weitere Elemente hinzu: no fee, no jury, no return, also keine Vergütung, keine Bewertung, keine Rückgabe. Lohn der künstlerischen Arbeit ist die mittlerweile obligatorische Dokumentation in einem Katalog, in einem Internet-Blog und/oder in einer Ausstellung. Denn Mail Art ist museumsreif geworden. Es gibt sogar ein Mail-Art-Archiv im Staatlichen Museum Schwerin.
Sammler haben schon lange ihre Liebe für diese ästhetische Kommunikationsform entdeckt. Sie hüten die Schätze, die ihnen der Postbote in den Briefkasten steckt, in Schubladen, Schachteln und Kartons. Neben privaten Archiven gibt es auch institutionelle. So hat die Akademie der Künste in Berlin vor gut einem Jahr ihren Mail-Art-Fundus und dazu die Postkartensammlung ihres Präsidenten Klaus Staeck in der Ausstellung „Arte Postale“ präsentiert. Zu sehen gab es klassische Künstlerpost, etwa von George Grosz aus dem Jahr 1957, eine Postkarte von Joseph Beuys aus Holz von 1977, einen Rundbrief von Bruno Taut an die „Gläserne Kette“ von 1919 oder Mail Art aus der DDR. Kombiniert war die Schau mit einer Mail-Art-Aktion, an der sich 320 Menschen aus 38 Ländern beteiligten.
So viel Zuspruch erhofft sich auch Simone Michel-von Dungern. Die Leiterin des Museums Malerwinkelhaus in Marktbreit (Lkr. Kitzingen) hat das Museumsgebäude in den Mittelpunkt gestellt. Das Fachwerkhaus, ohnehin ein beliebtes Motiv für Fotografen und Maler, wird zum Postkunst-Objekt. Auf diese Idee brachte sie der der in Nüdlingen bei Bad Kissingen lebende Kulturwissenschaftler Roland Halbritter, selbst ein begeisterter und weltweit vernetzter Mail-Art-Künstler. Er gestaltete den Mail-Art-Call, den Aufruf Malerwinkelhaus. Mitmachen kann jeder bis Ende Dezember.
„Ich bin überrascht von der bisherigen Resonanz aus aller Welt“, sagt Simone Michel-von Dungern. Nachdem sich bereits Menschen aus Australien, Kanada, Italien, Belgien, Österreich, Schweden, Ungarn oder Spanien und natürlich auch aus Deutschland beteiligt haben, hofft sie nun verstärkt auf Post von Künstlern aus der Region. Mitmachen kann jeder – ob Profi oder nicht. Natürlich gilt auch für dieses Mail-Art-Projekt: keine Vergütung, keine Jury, keine Rücksendung. Dafür gibt es eine Präsentation in der nächsten Ausstellung und dazu einen Katalog. Wer sich schon jetzt ein Bild machen oder inspirieren lassen möchte, die Online-Dokumentation läuft im Internet unter: mail-art-malerwinkelhaus.blogspot.de/

Mail Art fürs Malerwinkelhaus

Als Postkartenmotiv ist das Malerwinkelhaus mit Marke und Stempel einst um die Welt gereist, das Museum zum Wahrzeichen von Marktbreit geworden. Für die Sonderausstellung, die im Frühjahr 2015 beginnt, geht Museumsleiterin Simone Michel-von Dungern neue Wege: Das Malerwinkelhaus mit seiner Fachwerkfassade wird zum Projekt für Mail Art. Mitmachen kann jeder. Eingesendet werden können (per Post!) künstlerische Interpretationen auf Postkarten und/oder Briefumschlägen. Auch Objektkunst ist willkommen. Alle Einsendungen werden in der Ausstellung präsentiert und in einem Katalog dokumentiert: Einsendeschluss ist 31. Dezember 2014.
Teilnehmer senden ihre Arbeiten an: Mail Art Malerwinkelhaus, Bachgasse 2, 97340 Marktbreit, oder an: Roland Halbritter, Mühlweg 15, 97720 Nüdlingen.
Weitere Informationen dazu im Internet: www.malerwinkelhaus.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen